Sulzbach (Saar), 29.01.2021. Einem Forscher-Team aus New York, Singapur und Sulzbach ist es gelungen, Netzhautzellen zu transplantieren, die aus menschlichen Stammzellen gewonnen wurden. Die Wissenschaftler konnten am Tiermodell nachweisen, dass die transplantierten Zellen im Empfängerauge überleben. „Damit haben wir eine wichtige experimentelle Hürde überwunden auf dem Weg, in Zukunft bestimmte Formen von Erblindung heilen zu können, insbesondere die altersbedingte Makuladegeneration“, sagt Dr. Boris Stanzel, Oberarzt der Augenklinik Sulzbach und Mitglied des Forscher-Teams. Das Ergebnis der Studie von Liu et al erscheint in der Februar-Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift „Stem Cell Reports“ (hier online).

 

Netzhautzellen, die aus adulten menschlichen Augenstammzellen gewonnen wurden, überlebten, als sie in die Augen von Affen transplantiert wurden. Das retinale Pigmentepithel (RPE), eine Schicht pigmentierter Zellen in der Netzhaut, ist für die Aufrechterhaltung des normalen Sehvermögens unverzichtbar. Es handelt sich um eine Art Nährschicht der Sehzellen. Ohne funktionierendes RPE können die empfindlichen Sehzellen nicht überleben. Blindheit aufgrund von RPE-Abbau, wie sie zum Beispiel bei der Makuladegeneration auftritt, betrifft weltweit etwa 200 Millionen Menschen.

Um die für das Sehen so wichtige Zellpopulation wiederherzustellen, extrahierten die Forscher Netzhaut-Stammzellen aus Augen von Organspendern, züchteten sie zu RPE-Zellen und transplantierten sie in die Augen von Affen. „Diese einzigartigen Zellen haben das Potenzial, degenerierte RPE-Zellen zu ersetzen“, so Dr. Stanzel. Dabei gebe es die Möglichkeit, die Spenderkompatibilität anzupassen.

Es ist das erste Mal, dass die Sicherheit und Machbarkeit dieser Art von Zelltransplantation (von adulten retinalen Stammzellen abgeleitete RPE-Transplantate) in Primaten bewertet wurde. Die Forscher fanden heraus, dass die transplantierten RPE-Patches mindestens drei Monate lang stabil integriert waren und keine ernsthaften Nebenwirkungen auftraten. Darüber hinaus übernahm das aus Stammzellen gewonnene RPE teilweise die Funktion des vorhandenen RPE und war in der Lage, die normale Funktion der Photorezeptoren (Sehzellen) zu unterstützen – der entscheidende Punkt im Hinblick auf eine zukünftige therapeutische Anwendung. Die Forscher konnten auch feststellen, dass keine Vernarbung der Netzhaut auftrat.

 

Dr

Dr. Boris Stanzel

 

Stanzel: „Insgesamt zeigt dies die Machbarkeit der Verwendung solcher Transplantate, um defektes RPE als eine mögliche Behandlung für Makuladegeneration zu ersetzen.“ Es müssten jedoch noch weitere Experimente durchgeführt werden. Dazu gehört der Nachweis, dass aus adulten retinalen Stammzellen gewonnenes RPE das Sehvermögen von Erkrankten wiederherstellen kann, wozu am Ende auch klinische Studien am Menschen gehören. „Doch schon jetzt ist diese "Proof-of-Principle"-Studie ein wichtiger erster Schritt zur Bestätigun g  dieses Ansatzes“. Der Forschungserfolg ist das Ergebnis einer internationalen Zusammenarbeit zwischen der Icahn School of Medicine at Mount Sinai (New York), dem Institute of Molecular Cell Biology (A*STAR), Singapore Eye Research, National University of Singapore und dem KHERI-Forschungsinstitut an der Augenklinik Sulzbach in Deutschland.

Der Augenmediziner und Stammzell-Forscher Dr. Boris Stanzel aus Sulzbach ist einer der drei Senior-Autoren des Fachartikels in „Stem Cell Reports“. Stanzel leitet das Makulazentrum an der Augenklinik Sulzbach. Es gehört mit jährlich 11.000 Behandlungen zu den bedeutendsten Zentren zur Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration (AMD, eine weit verbreitete, lebenseinschränkende Netzhauterkrankung).

Boris Stanzel forscht gleichzeitig am Sulzbacher Klaus Heimann Eye Research Institute (KHERI). Der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit ist die Erforschung neuer Therapien gegen die AMD. Diese lebensverändernde Alterskrankheit betrifft alleine in Deutschland etwa 4,5 Millionen Patienten und ist hierzulande die häufigste Ursache von Blindheit. Ziel ist die Entwicklung einer zukünftigen Therapie auf der Basis von Stammzellen. Hierzu führte er bereits eine erste Machbarkeitsstudie mit AMD-Patienten in Sulzbach durch, mit der aktuell weitere Forschungsfelder erschlossen werden.

 

Hintergrund-Info: Augenklinik Sulzbach

 

Die Augenklinik Sulzbach (Chefarzt: Prof. Dr. Peter Szurman) gehört zu den bedeutendsten augenmedizinischen Zentren und ist mit weit über 2000 großen Netzhaut-OPs im Jahr Deutschlands größtes Zentrum für Netzhautchirurgie.

Die Augenklinik Sulzbach gehört zum Knappschaftsklinikum Saar. Sie besteht seit über 100 Jahren und ist nicht nur eine der größten Augenkliniken in Deutschland, sondern auch eine der innovativsten weltweit. Neben der Entwicklung neuartiger Behandlungsmethoden und Medizinprodukte laufen in Sulzbach ständig wissenschaftliche Studien im Bereich der Augenmedizin. Gleichzeitig sind Sulzbacher Forscher an internationalen Studien beteiligt, wie hier im Fall von Dr. Boris Stanzel.

 

Hintergrund-Info: KHERI

Das Klaus Heimann Eye Research Institute (KHERI) bündelt die Forschungsaktivitäten innerhalb der Augenklinik Sulzbach unter dem Dach des Knappschaftsklinikums Saar. Ziel ist die patientennahe Forschung im Bereich der Augenheilkunde, um die Weiterentwicklung bestehender Therapien zu gewährleisten und damit die Patientenversorgung stetig zu verbessern. Namensgeber ist Prof. Dr. med. Klaus Heimann (1935-1999), langjähriger Direktor der Klinik für Netzhaut- und Glaskörperchirurgie der Universität zu Köln und international renommierter Pionier der Augenheilkunde.

 

 

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